Wie geht das - sinnvoll Üben ?
Der Lernprozeß folgt bestimmten Regeln, kennt und beachtet man sie, ist man im Vorteil!
Einfach aber wahr:
Was und wie man übt, ist das, was und wie man später auch spielen kann!
Doch - wer bedenkt dies immer? Ganz ehrlich, aus einer 20-jährigen Praxis, meistens wird dieser einfache Zusammenhang total unterschätzt!
Es ist anstrengend, benötigt viel Konzentrationsvermögen, Konsequenz und gnadenlose, ehrliche Selbstbeobachtung und Selbstkritik.
Ohne lebt und übt es sich leichter, aber die Quittung in Form von Fehlern, unsicherem Spiel etc. folgt sofort.
Üben ist eben etwas anderes als spielen.
Zum Üben:
Zuerst sollte man ganz genau klären was man üben will, vor allem natürlich wie es technisch funktioniert.
Hier beginnen schon die Schwierigkeiten, fast niemand nimmt sich die nötige Zeit diese Fragen wirklich zufriedenstellend zu beantworten. Oder man ist einfach überfordert, hat keinen Lehrer, versucht das Gitarre spielen neu zu erfinden... - ein recht hoffnungsloses Unterfangen. Funktioniert nur, wenn man seine Ansprüche herunterschraubt. Man macht Umweg, lernt ungünstige Bewegungen usw..
Einen weitereren Punkt erläutert ein kleiner "Witz" aus meinem Unterricht:
Frage: Was sind die drei wichtigsten Regeln beim Üben ?
Antwort: 1. langsam üben
2. langsam üben
3. langsam üben
Üben ist ein Vorgang der sich gut als die Zeitlupenausführung dessen was man später beherrschen möchte beschreiben lässt.
Vorausgesetzt man weiß wie das geht, was man lernen will - die Spieltechnik muss völlig klar sein - führt man das so konsequent richtig und exakt aus wie es einem möglich ist.
Hilfreich ist dabei die Ausführung so stark zu verlangsamen, dass das Schwere als "leicht" empfunden wird.
Frei nach Laotse:
Beginn das Schwere, wo es noch leicht ist. Denn alles Schwere auf Erden entspringt dem Leichten.
Oder Moshé Feldenkrais:
Wenn Du weißt, was Du tust, kannst Du tun, was Du willst.
Und lernen was Du willst, könnte man noch hinzufügen...
Langsam üben bedeutet genau die gleichen Bewegungsfolgen im exakten Rhythmus durchzurführen, zu erlernen, zu spüren, immer bewußter zu erfahren.
Dann immer besser zu automatisieren und schrittweise das Tempo zu erhöhen, bis man sein Zieltempo erreicht hat.
Das Zieltempo ist sinnvollerweise etwas höher als das was dann wirklich gespielt werden sol, als "Sicherheitsreserve" sozusagen, und als zusätzlicher Trainingsreiz.
WICHTIG: Langsam üben heisst nicht das Gleiche wie "Zeitlupe" bei einem Film! Um das am Beispiel der Gitarre zu erklären nehmen wir einen Akkordwechsel von C nach G. Das Schlagmuster, das die Anschlagshand spielt (mit Plektrum oder Fingern zerlegt ist egal), das läuft in Zeitlupe ab. ABER die Greifhand wechselt trotz dem langsamen Tempo so schnell wie möglich, unabhängig vom gespielten Tempo.
Das hat zur Folge, dass man legato spielt, also dicht an dicht klingende Töne, ohne kurze Pausen dazwischen.
"Langsam spielen" ist also eine Anweisung beim Üben, die wirklich verstanden sein will, und differenziert betrachtet werden muss. Dann korrekt und intensiv genug geübt - dann ist sie der Turbolader des Lernens :-).
Sinnvoll ist es, solange man rhythmisch nicht wirklich sattelfest üben kann, mit einer CD o.Ä. zu üben, wobei man die Geschwindigkeit natürlich regulieren muss.
Dazu eignet sich hervorragend das Programm "transcribe!", beschrieben in dem anderen Menüpunkt auf dieser Webseite.
Damit kann man stufenweise erhöhen (in % von der Originalgeschwindigkeit) und jeden Tag wieder an dem bereits Erreichten anknüpfen. Das erhöht die Effektivität und das Lerntempo enorm.
Wichtig ist dazu noch, dass man sich nicht verzettelt in einem zu viel und zu schwer, und dass man seine (natürliche?) Gier danach die Stücke ganz und in schnellem Tempo zu spielen kontrolliert.
Das heißt: Kleine Abschnitte üben, und den Schwierigkeitsgrad nicht zu hoch wählen.
Dazu braucht man evtl. schon auch eine Zeit lang eine Anleitung durch einen Lehrer, oder sammelt einfach selbst Erfahrungen wie das beste eigene Lernverfahren ist.
Als Wiederholungszahl auf einer Tempostufe hat sich 6 - 8 Wiederholungen bewährt.
Das ist ausreichend zu Lernendes gut zu verankern, und kurz genug um die Konzentration aufrecht zu erhalten (um Fehler zu vermeiden, die will man ja nicht üben.
Ich persönlich übe nach folgendem "System":
Sieben Mal richtig auf der momentanen Geschwindigkeitsstufe, bei einem Fehler, und sei es der letzte Ton beim siebten Mal, beginne ich wieder bei 0 !
Hart, aber erfolgreich die Konzentration zu verstärken, und auch ein zu schnell zu vermeiden.
Langsamer geht in der Regel kontrolliert richtiger !
Dazu kann man auch schon mal bei der sechsten und siebten Wiederholung das Tempo zurücknehmen - das verstärkt die Wirkung vielleicht sogar noch...
Eine weitere wichtige Tatsache ist das Pareto-Prinzip.
Auch Pareto-Effekt, 80-zu-20-Regel, die besagt, dass 80 % der Ergebnisse in 20 % der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse verursachen die meiste Arbeit.
Perfektionisten haben also viel Arbeit vor sich!
Über den Daumen gepeilt würde ich sagen, dass in Hobbybereich die 80 % Ergebnisse schon sehr beeindruckend sind, im gehobenen Bereich des Liebhabers aber schon mehr Anspruch besteht, bestimmt an die 90 % heran, beim professionellen Musizieren aber deutlich über die 90 % erreicht werden sollten, müssen, wollen...
Dementsprechend steigt der Aufwand enorm an.
Die Grenze zieht jeder für sich, es gibt sicherlich "Hobbymusiker" die locker auf die über 90 % kommen, und "Profis" die die 80 % gerade so schaffen
Bleibt zu sagen, dass die Umsetzung dieser Erkenntnisse, Tag für Tag, viel Disziplin und Willen benötigen. Es geht nicht von selbst. Auch wenn die Ergebnisse sehr lohnend und motivierend sind wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat mit wie wenig Aufwand man schon sehr gute Ergebnisse erreichen kann.
Immer wieder erlebe ich es live im Unterricht, wie von einer auf die andere Woche "plötzlich" Dinge klappen, die sonst Monate benötigen - und alles nur weil genau das was ich oben beschrieben habe getan wurde !
Egal auf welchem Niveau.