Kann man Gitarre spielen ohne Noten lernen? 
Ja, viele Gitarristen (und viele andere Instrumentalisten taten es...)

Ist es empfehlenswert Gitarre spielen ohne Noten zu lernen? 
Klares Nein!
Denn man hat dadurch einige gravierende Nachteile zu kompensieren.

1. Man kann all das vielfältige und gute Notenmaterial für Gitarre und andere Instrumente nicht nutzen
2. Mit anderen Musikern/Intrumentalisten wird die Kommunikation stark gehemmt
3. Der Lernprozeß ist ein ganz anderer, wöchentlicher Unterricht ist damit nicht sinnvoll machbar
4. Die Qualität von Tabulaturen ist sehr stark schwankend, ein Problem der Hauptquelle Internet...
5. Meistens ist die Rhythmik nicht notiert, man braucht eine Aufnahme, muss das Stück kennen
6. Unbekannte Musik lernt man damit nicht oder extrem mühsam, eine innere Klangvorstellung baut sich nicht auf
7. Musik anderer Instrumente kann man nicht spielen, Tabulatur ist nur Saiteninstrumentenspezialität

Als Lehrer für Gitarre bin ich mit beiden Welten sehr gut vertraut, gerade bei der E-Gitarre ist es auch üblich ergänzend mit Tabulaturen zu arbeiten, ich benutze sie allerdings in meinem Unterricht wenn das Noten lesen sicher sitzt und fast nur zur Unterstützung der Noten, nie ausschließlich. Auch bei Soli in hohen Lagen sind sie durchaus von Vorteil.

Die Realität sieht so aus, dass viele es ohne Noten versuchen, von nicht wenigen bekommt man zu hören, dass das genauso gut geht, auch von Gitarrenlehrer bzw. auf Webseiten ist es so oft zu lesen.
Das ist nicht richtig, wer auf lange Sicht problemlos musizieren will braucht Noten!

Es ist teilweise möglich die erwähnten Mängel der Tabulatur auszugleichen, auf die Vorzüge der Notenschrift muss man aber trotzdem verzichten.
Hier geht es also auch um das "wie" und man darf nicht zu bequem sein um erfolgreich zu lernen.
Ich betrachte die Tabulaturphase, verknüpft mit meinen Tipps, als Übergangsphase zum Noten lesen.

Vorteile der Tabulatur (wobei die Vorteile letztlich schnell zu Nachteilen werden, will man tiefer in die Musik einsteigen):

1. Schnell zu lernen
2. Tonnenweise Material im Internet (Achtung! Auch mit reichlich Fehlern gespickt...)
3. Sehr nah am Instrument, nicht "abstrakt"  wie die Notenschrift (was gleichzeitig einer der Hauptnachteile ist) 
4. Schnell aufgeschrieben
5. In hohen Lagen ganz besonders effektiv für das gewußt "wo" auf der Gitarre 

Die beste Software für Tabulatur auf Gitarre/Bass etc., ermöglicht komplette Bandarrangements, mitspielen, anhören, mit wirklich guten Sounds, für ca. 60 $, ist "Guitar Pro" - sehr empfehlenswert!

Um kein Missverständnis entstehen zu lassen:
Das Gehör ist natürlich DAS Sinnesorgan der Musik - und nach Gehör zu spielen, zu lernen, auswendig, "by heart", Musik von der inneren Vorstellung nach aussen zu bringen, ist natürlich das Ziel für jeden Musiker.

Nicht an Zetteln kleben, sondern auch mit Hilfe von Zetteln VERINNERLICHEN und dann musizieren, von innen nach aussen!

Bei meinem obigen Text geht es darum was auf diesen Zetteln (=Hilfsmittel) draufsteht, und da ist die Musiknotation um Längen näher an der Musik als die Tabulatur, auch wenn Noten noch lange keine Musik sind - die macht man erst daraus, durch den kreativen Prozess des Musizierens :-)

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