Die Fingernägel beim Gitarrenspiel

...damit die Töne schöner klingen
...damit die Technik optimal funktioniert
...damit Nebengeräusche minimiert werden
...damit die Palette der Klangfarben größer wird 
...damit schnelleres Spiel möglich wird
usw.

Im Folgenden möchte ich die Punkte besprechen, die ich nach fast 30 Jahren Gitarrenspiel als wesentlich sehe.
Zunächst  muss die Form und die Länge stimmen, das ist unter Umständen ein langer Prozeß. Die Fingernägel wachsen langsam, ein Fehler beim Feilen ist so schnell nicht zu korrigieren.
Einflußfaktoren sind die Anatomie und Beschaffenheit der Fingernägel, die Haltung, die Spieltechnik, das Instrument.
Fingernägel haben unterschiedlichste Wuchsformen, Anomalien, sind unterschiedlich gebogen, wachsen unterschiedlich in der Länge, sind verschieden hart usw..
Das hat schon so manchen zur Verzweiflung gebracht :-) - und künstliche Nägel sind auch immer wieder Thema, zum Beispiel wenn einer mal vor einem Auftritt abbricht!
Da ist schon viel Erfahrung notwendig um das gut zu kompensieren...  

Die wichtigsten Einflüsse auf den Ton haben:

  • Tonvorstellung
  • Anschlagsbewegung und Geometrie
  • Nagelform und Nagellänge
  • Saitenqualität (Diskantsaiten nutzen sich ab, werden rauh!)

Zur Form und Länge:

Die Länge und die Form wird zuerst mit einer guten Saphirfeile hergestellt. Darauf achten, dass von grob zu fein gearbeitet wird, und mit der feinen Seite nur in die Richtung in die die Saite über den Nagel gleitet.
Das schafft schon eine gute Oberflächenstruktur die sich leichter polieren lässt.
Die Form folgt grob dem Nagel, ist auf der Seite die zuerst auf die Saite trifft kürzer und steigt etwas an, in etwa wie eine Rampe. Die Ecken werden abgerundet.
Bei meiner Kombination an Spielhaltung, Fingernagelkonstellation, Spieltechnik steht der Nagel etwa 1 bis 2 mm über die Fingerkuppe hinaus. Damit erziele ich ein gutes Klangergebnis, kann (relativ) schnell spielen und, das ist wichtig, habe wenig Nebengeräusche durch das Auftreffen des Nagels auf die Saite (das berühmte klicken).
Als nächstes poliere ich mit Micromesh von 4000 über 6000 zu 8000, und wenn es drauf ankommt und ich neue Saiten aufgezogen habe, auch noch mit 12000. Das ist wirklich glatt :-).
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mit dem feinen Polierleinen besser ist nicht zu schnell zu rubbeln, das wird warm, was wiederum der Hornsubstanz des Nagels nicht gut tut - es wird nicht optimal glatt.

Sehr wichtig: 

Die Diskant-Saiten müssen glatt sein, damit sich die Wirkung der ganz feinen Leinen entfalten kann. Spätestens nach 1 - 2 Wochen spielen werden die Nylon- oder Carbonsaiten an der Hauptanschlagsstelle rauh - und ein guter Ton wird unmöglich. Hier hat jeder seine individuelle "Schmerzgrenze" und muss abwägen ob die Saiten noch gut sind oder nicht.
Regelmäßiges polieren der Nägel vor dem Spiel schont die Saiten selbstverständlich, aber da man immer wieder auch auf den umsponnenen Saiten spielt werden die Nägel leicht rauh, und damit auch die Diskantsaiten... - nichts hält halt ewig ;-).
Eifach testen indem man mit einem glatt polierten Fingernagel vom Steg zum Griffbrett und zurück auf der Saite entlangrutscht -  man hört die abgenutzten Stellen (meist an der rechten Seite des Schalllochs) sehr gut.

Eine ziemlich gute Methode für Anfänger und Unerfahrene ist es übrigens die groben Micromeshleinen so über eine Saite zu legen, dass man die Spielbewegung darauf ausführen kann. Damit feilt man den Nagel sehr gut zurecht, und kann dann nach einer Weile "spielen" mit dem polieren beginnen.

Wer über trockene Haut klagt, der kann mit Talkumpulver (angenehm da nicht fettend) oder Vaseline (das fettende stört eventuell den einen oder anderen) nachhelfen. Das macht das Spielen auch angenehmer, vor allem das Talkumpulver ist (für die meisten) sehr angenehm auf den Fingerspitzen.

"Failure to prepare is preparing to fail."
John Wooden, former UCLA basketball coach

Die moderne Konzertgitarre wird definitiv mit Fingernägeln gespielt!
Kuppenspiel ist  zu wenig variabel, zu leise, der Dynamikbereich zu eng.
Dazu gibt es eine Menge zu schreiben. 
Die wichtigsten Themen sind aber:

1. Mechanik des Anschlags
2. Nagelform
3. Nagelpflege

Es ist zwar nicht notwendig, aber doch interessant und hilfreich etwas über die Physik und Mechanik des Anschlags zu wissen.
Dazu gibt es mittlerweile einige Veröffentlichungen, meist Kapitel in Büchern. 
Das Werk, das die Sache am meisten vorangebracht hat, ist ohne Zweifel 
"Tone production on classical guitar" von John Taylor, leider nur noch antiquarisch zu bekommen.
Aber auch in "Pumping Nylon" von Scott Tennant ist vieles vorzüglich beschrieben!
Hier ist das youtube-Video das einen Ausschnitt aus der DVD bezüglich Fingernägel zeigt:


Zusammenfassung:

Der Fingernagel fungiert als "Rampe" zum "Abschuss" der Saite.
Dazu muss er einige Bedingungen erfüllen, um perfekt zu funktionieren.

1. Form - abhängig von der Geometrie von Hand und Haltung
2. Oberflächenbeschaffenheit
3. Anschlagsbewegung


Letztlich ist es nicht anders als bei z. Bsp. einem Klavier - nur sind die Komponenten nicht fixiert, sondern frei im Raum beweglich!
Das bedeutet einerseits massenhaft mehr Möglichkeiten den Klang zu variieren, zu  modellieren, zu beeinflussen.
Andererseits ist es schwieriger, bei genauer Klangvorstellung, genau den Sound zu produzieren den man möchte.
"Dummerweise" haben wir aber eine mehr als genaue Vorstellung davon, wie das klingen soll, was wir spielen wollen...
Nicht zuletzt wegen unserer CD-Kultur sind die Maßstäbe extrem Richtung Perfektion verschoben. 
Keiner gibt sich mit einem schlechten Klang zufrieden.

Die Standards und Ansprüche haben sich die letzten Jahrzehnte sehr erhöht. 
Dazu einfach Aufnahmen berühmter Gitarristen von vor 40/50 Jahren anhören und moderne Einspielungen - und in Bezug auf "Ton" vergleichen.
Die Entwicklung gerade bei der klassischen Gitarre sind imposant, und das nicht nur wegen der Aufnahmetechnik, der Instrumente und anderem.

Aber VORSICHT !
Sehr leicht verfängt man sich in Geschmacksdiskussionen oder dogmatischen Bereichen (siehe angelegter und freier Anschlag).
Das geht am Sinn vorbei - hören, das Gehör schulen, den musikalischen Geschmack bilden - und immer näher an daseigene Klangideal heranarbeiten.
Wie immer das sein mag. 
Darüber lässt sich nicht wirklich streiten, das ist sehr individuell und subjektiv.
Man kann sich darüber austauschen, und dabei wieder lernen - unser Hauptziel !

Da hilft nur Information, Austausch, Wissen, üben, testen, üben, testen, üben.............

1. Form
Die Nagelform die man in Nagelstudios gefeilt bekommt ist auf jeden Fall nicht geeignet.

Wie bekommt man die richtige Form am einfachsten an den Nagel ?

Meine Methode:
Micro-Mesh grobe Körnung um die Saiten legen (rauhe Seite natürlich nach aussen), und dann mit den Fingern anschlagen 
-> Feilwirkung und eine recht genaue Rampenform nach genügend Anschlägen. 
Bei Restlänge von 2 mm über die Fingerkuppe
weiter mit der Feile die Seiten abrunden und dann immer feiner polieren.
Dazu muss der Anschlag und die Haltung natürlich schon vom Grund her stimmen...

Hat man das einige Male getan kennt man seine Nagelform und kann sie auch frei Hand mit einer Saphirfeile herstellen.
Das geht schneller.

2. Oberflächenbeschaffenheit
 
Das Feilen: 
Hier wird der Nagel in die richtige Form gebracht, die Geometrie des Nagels auf Haltung und Bewegung optimiert.

Das Polieren:
Nur eine absolut glatte Oberfläche des Nagelrandes garantiert ein geschmeidiges Abgleiten der Saite und somit einen schönen, vollen Ton. 
Eine rauhe Oberfläche klingt schlecht, rauht die Diskantsaiten auf und fördert das Einreißen des Nagels bei Alltäglichkeiten. 
Deshalb muss der Nagel nach dem Feilen poliert werden. 
Dazu eignet sich Schmirgelleinen von Micro-Mesh in unterschiedlicher Körnung.
Ein hervorragendes Ergebnis liefert das schrittweise Schleifen von einer groben Körnung bis zur feinsten Körnung von Micro-Mesh 12000. 

Probleme mit den Nägeln

Leider geht es oft nicht so ganz einfach, Gründe dafür können sein:

Sehr harte Fingernägel

Dünne Fingernägel

Dicke Fingernägel

Deformierte Fingernägel

Abgebrochene Fingernägel

usw.....

In einigen Fällen hilft experimentieren, in anderen braucht man Hilfsmittel wie Nägel zum aufkleben (ein Kapitel für sich, wird sicher noch kommen).
Nagelpflege ist sicher auch ein wichtiges Thema zwecks Vorbeugung, Ernährung in gewissem Sinne dann auch, irgendwie wachsen die Nägel ja auch.
Von Nahrungsergänzung halte ich persönlich hier nicht viel (Biotin ?!) - aber das soll jeder machen wie er denkt. 
Und wenn es hilft ... :-)